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2. Oktober 2023

REZENSION “SURROUNDED BY IDIOTS” VON THOMAS ERIKSON

INHALT Erfolgreich kommunizieren in allen Lebenslagen – der internationale Selbst-Coaching-Bestseller aus Schweden jetzt endlich auch auf Deutsch. Autor Thomas Erikson fragt: Wie oft werden wir nicht oder falsch verstanden? Wie oft sind unsere Beziehungen zu anderen Menschen von Missverständnissen getrübt? Wie oft glauben wir, wir seien nur von Idioten umgeben? Kurzum: was ist falsch an unserem Kommunikations-Verhalten? Nach dem Motto „vier Farben – vier Typen – und jede Menge Tools“ präsentiert Thomas Erikson in seinem Selbst-Coaching-Buch ein Modell mit vier Persönlichkeits-Typen, das es uns leicht macht, unser Gegenüber und sein Kommunikations-Verhalten zu verstehen - ob es sich um Körpersprache, Emails oder ein Gespräch handelt.

ERSTER SATZ It all began with one question.

MEINE MEINUNG Nicht selten drängt sich uns bei sozialen Interaktionen die Frage auf, ob wir Selbst eigentlich die Einzigen sind, die noch bei klarem Verstand sind - oder warum verhalten sich alle anderen wie totale Idioten? Warum sind manche Kollegen immer pünktlich, während andere regelmäßig die Zeit vergessen? Warum halten sich einige Menschen vorzugsweise im Hintergrund, während es anderen schwerfällt, den Mund zu halten? Diese Fragen greift Thomas Erikson in seinem mittlerweile sehr bekannten Werk “Surrounded by Idiots” auf und antwortet mit einer interessanten Theorie.

Die Vielfalt und Komplexität menschlicher Psyche
Jeder Mensch ist unterschiedlich. Unsere Weltanschauungen, Religionen und Meinungen zu diversen Themen sind gänzlich verschieden. Aber auch in unserem Verhalten in sozialen Situationen, im Arbeitsumfeld und unseren Charaktereigenschaften sind wir alles andere als gleich. Erikson entwirft eine (vermeintlich) an die DISC-Methode angelehnte Analysemöglichkeit, um andere Menschen einzuschätzen und dadurch besser und effizienter zu reagieren und zusammenzuarbeiten. Seine Erlärungen um DISC sind verbesserungsfähig und mehr verwirrend als verständlich.

Thomas Erikson und die Frage nach dem größten Idioten
Das Buch basiert vor allem auf der Identifikation der verschiedenfarbigen Typen im Hinblick darauf, wie wir im Arbeitsleben davon profitieren können. Natürlich sind Charaktereigenschaften nicht nur im Beruf, sondern auch im Privatleben vorherrschend und Inhalte des Ratgebers können auch hier angewandt werden. In verschiedenen Kapiteln legt der Autor die vier verschiedenen Farbprofile - Rot, Gelb, Grün und Blau - dar, erläutert umfangreich und interessant deren Eigenschaften, potenzielle Schwierigkeiten im Umgang, Stressfaktoren und mehr.

Die Bedeutung von Farbprofilen im zwischenmenschlichen Umgang
Der Ratgeber hat mir geholfen, den Umgang mit anderen Farbprofilen zu erleichtern, sowohl im Arbeitsalltag als auch bei sozialen Interaktionen mit Freunden und Bekannten. Spannend zu wissen ist auch, dass laut Erikson nur fünf Prozent aller Menschen ausschließlich eine Farbe repräsentieren. Etwa 80 Prozent der Bevölkerung ist eine Mischung aus zwei Farben, während der Rest sogar drei Farben in sich trägt. Eine Mischung aus allen vier Farben sei aber laut Erikson nicht möglich. Es ist unklar, woher diese Zahlen kommen. Da ich die Thematik sehr spannend finde und mich viel mit Persönlichkeiten und deren Weiterentwicklung beschäftige, war diese besondere Herangehensweise eine willkommene Abwechlsung.

Wiederholungen und Herausforderungen mit Eriksons' Schreibstil
Wie die einzelnen Profile miteinander agieren war für mich eines der besten Kapitel, über das ich gerne noch mehr erfahren hätte. Einzelne Anekdoten über Persönlichkeiten lockern den sonst eher sachlichen Stil über Charaktereigenschaften auf, ohne dabei die Überhand zu gewinnen, sodass die Informationsflut den Leser regelrecht erdrücken kann. Sonst lese ich Bücher und Ratgeber durchaus auch digital; in diesem Fall war ich froh über mein physisches Exemplar, in dem ich mir Notizen und vor allem farbige Markierungen gemacht habe, um mir selbst den Überblick zu erleichtern. Das lag auch daran, dass es teilweise schwer fiel, bei den vielen Synonymen und die dadurch aufkommende Langeweile am Ball zu bleiben. Gleichzeitig wiederholen sich einige Ausführungen des Öfteren und nicht selten wirkt die vermeintliche Charakterisierung der Farbprofile abwertend.

Generell ist der Schreibstil des Ratgebers gewöhnungsbedürfig, da Erikson Erkenntisse oft wiederholt und den Inhalt so unnötig in die Länge zieht. Eriksons’ Fakten basieren auf eigener Intuition, Bauchgefühl und auf dem Verhalten Fremder, deren Bekanntschaft er in der Vergangenheit gemacht hat.

Fehlende empirische Forschung
Wissenschaftliche Untermauerung gibt es im Ratgeber nicht. Zwar lehnen sich Eriksons’ Erkenntnisse laut eigener Recherche an Ansätze an, die bereits die alten Griechen und Azteken anwendeten, aber es gibt keine einzige, wissenschaftliche Quelle, die belegt, was Erikson darlegt. Wer Wert auf Quellenarbeit oder empirische Beweise legt, ist mit dem Buch an der falschen Adresse.

Plädoyer für mehr Tiefe
Leider fördert der Ratgeber ebenfalls das Denken, dass Menschen in Kategorien, oder wie hier in Farben, unterteilt werden können. Dass ein Charakter komplexer sein kann, wird allein dadurch deutlich, dass Erikson darlegt, dass nur fünf Prozent einem Farbprofil entsprechen sollen. Dementsprechend rate ich davon ab, das stumpfe kategorische Denken ohne einen Blick nach Rechts und Links anzuwenden und empfehle, bei Interesse zusätzlich zu diesem Ratgeber ein Buch über empirisch belegte Persönlichkeitsentwicklung zu lesen.

Mangelnde Methoden zur Selbstanalyse
Ein großer Minuspunkt ist, dass Thomas Erikson sich keine Zeit nimmt, zu erläutern, wie man sich oder andere einschätzen kann. So taucht er direkt in die Materie und seine Theorie ein, schreibt des Öfteren, es sei beispielsweise einfach, jemanden mit rotem Farbprofil zu erkennen. Es gibt jedoch keine Möglichkeit, abgesehen davon, sich in den zahlreichen Darlegungen wiederzuerkennen, eine Person in das dargelegte Schema einzuordnen. Auf Eriksons’ Webseite gibt es einen sehr schwammigen Test mit wenigen Fragen, der nach einigen Entscheidungen ein Ergebnis ausgibt. Erikson betont, dass es sich dabei um ein stimmungsabhängiges Bild handelt, das vom Stresspegel und dem Gemütszustand zum Zeitpunkt der Beantwortung der Fragen abhängt.

Der rote Faden der Farbprofile
Auch Körpersprache wird im Ratgeber kurz angesprochen. Hier hätte etwas mehr Hintergrund nicht geschadet. Es kommt das Gefühl auf, das Kapitel wird schnell abgehandelt und ist mehr Lückenfüller als tatsächlich Teil der vermeintlichen Recherche. Der Autor geht die einzelnen Farbprofile in jedem Kapitel neu durch. Die Reihenfolge Rot, Gelb, Grün und Blau zieht sich dabei wie ein roter Faden durch den Ratgeber und ist angenehm zu verfolgen. Beim Nachschlagen muss man zwangsläufig etwas länger blättern und sich auf die Kapitelüberschriften verlassen.

Der Ratgeber als Werkzeug für harmonischere Zusammenarbeit
Der Ratgeber ist ein interessantes Tool, das, richtig angewendet, die Zusammenarbeit mit dem ein oder anderen Kollegen, den man bisher als “Idioten” wahrgenommen hat, erleichtert. Schon während des Lesens ist man geneigt, über Personen im engeren Umfeld und deren Farben nachzudenken. Während bei einigen der Groschen sofort fällt, braucht es bei anderen etwas länger. Dennoch sollte man sich nicht auf Abwege führen lassen und im Hinterkopf behalten, dass der Ratgeber auf empirische Arbeit gänzlich verzichtet, sodass man die Erkenntnisse mit Vorsicht genießen sollte. Es handelt sich mehr um eine humorvoll ausgelegte, nicht wissenschaftlich belegte Theorie eines Einzelnen, der durch seinen beruflichen Hintergrund als Sales Manager mit verschiedensten Menschen zu tun und einen Weg gefunden hat, diese grob in ein selbstentworfenes Schema einzuordnen.

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