HANDLUNG Ein Drache ohne seinen Reiter ist tragisch. Ein Reiter ohne seinen Drachen ist tot. Violets Traum, Schriftgelehrte am renommierten Basgiath War College zu werden, zerplatzt jäh, da sie als Tochter der Generalin am Auswahlverfahren der Drachenreiter teilnehmen muss. Das erste Jahr wird nicht einmal die Hälfte aller Bewerber überleben, denn Drachen binden sich nicht an schwache Menschen, sie fackeln sie nieder. Die meisten Kadetten wollen Violet allein aufgrund ihrer Herkunft niederstrecken - besonders Xaden, der mächtigste und skrupelloseste unter den Geschwaderführern. Und ohne Frage auch der attraktivste. Ausgerechnet ihm wird Violet unterstellt. Sie wird jeden Vorteil nutzen müssen, wenn sie überleben will. Denn am Basgiath War College haben alle eine Agenda und es gibt nur zwei Wege hinaus: den Abschluss machen oder sterben.
ERSTER SATZ Der Einberufungstag ist immer am tödlichsten.
MEINE MEINUNG Let me tell you - dieses Buch hat mich auf ungeahnte Weise dazu bewegt, selbst wieder anzufangen, zu schreiben. Es hat mich inspiriert, mich gefesselt und mich bewegt. Das Gefühlschaos am Ende kann ich nur schwer in Worte fassen. Als ich das Buch in der Bücherei nur vage dem aktuellen Hype zuordnen konnte, nahm ich den Wälzer spontan mit. Dass ich mich nicht nur tatsächlich dazu durchringen würde, ihn zu lesen, sondern mich so sehr verlieben würde - damit habe ich nicht gerechnet. Als mich einige Bekannte dann noch weiter aufhypten und mir sagten, dass dieses Buch ihr Jahreshighlight gewesen sei, hibbelte ich vor lauter Aufregung.
TITEL Allein der für diesen Roman - oder besser gesagt die Buchreihe - gewählte Titel, passt wie die Faust aufs Auge. Dafür muss man wissen, dass in der englischen Originalversion des Romans das Wort “Wing” für “Geschwader” verwendet wird. Im Roman selbst wird Violet nach der bestandenen Aufnahmeprüfung dem vierten Geschwader zugeteilt. 2/2
COVER Das Cover überzeugt mit auffällig edler Umschlaggestaltung in schimmerndem Gold, das sich natürlich in der Buchhandlung von anderem Romanen deutlich abhebt. Die Aufmachung ist sehr gelungen und vielleicht eine der besten, die mir in meinen mittlerweile neun Jahren als Buchblogger je untergekommen ist. Im Inneren des Romans erwartet den Leser eine übersichtliche farbige Karte. 3/3
INHALTSANGABE Allein die ersten zwei Sätze halten den Leser ungeachtet seines eigenen Unwissens in Atem. Die Inhaltsangabe bringt in neutral gehaltener Sprache auf den Punkt, was der Leser wissen muss und verrät wenig Inhalt. 4/4
IDEE Atemberaubende Szenen in einer magischen Drachenwelt
Jedem Widererwarten trotzend überquert Violet mitten in einem stürmischen Gewitter das schmale Viadukt und besteht damit die erste Prüfung, die für viele bereits tödlich endet. Auf der anderen Seite angekommen ist sie eine Kadettin im ersten Jahr. Unverhofft ist sie hergekommen und muss sich nun zurechtfinden unter den anderen Drachenreiter-Anwärtern, die dafür bekannt sind, nichts unversucht zu lassen, um einander auszustechen, und auch vor Mord nicht zurückschrecken. Jemandem zu vertrauen kann tödlich enden. Feinde gibt es an der Akademie für Drachenreiter wie Sand am Meer.
Obwohl die grundsätzliche Idee in einzelnen Teilen Parallelen zu bereits bestehenden, veröffentlichten Werken hat, bin ich für mich zu dem Schluss gekommen, dass sich das heutzutage kaum mehr vermeiden lässt und ich meine utopischen Ansprüche an etwas gänzlich Neues etwas herunterschrauben muss. Ich fühlte mich durch “Fourth Wing” natürlich zwangsläufig an “Die Bestimmung”, “Tribute von Panem” und sogar die Kinderserie “Dragons” erinnert - nichts davon hat mich gestört. Es fließen seitens Rebecca Yarros zahlreiche eigene Details ein, sodass die Welt von Navarre vor dem inneren Auge zum Leben erwacht. 4/4
UMSETZUNG Aus Worten werden Bilder
Anfangs war ich von der Seitenanzahl etwas eingeschüchtert. Parallel habe ich noch ein anderes Buch mit deutlich weniger Seiten gelesen, in dem es vom Gefühl her nur quälend langsam voranging. “Fourth Wing” hat mich in der Hinsicht in die Realität zurückgeholt: ein Buch könnte vermutlich 10.000 Seiten haben und wäre trotzdem fesselnd, solange es nur ausreichend Handlung und Gesprächsstoff gibt. Ich klebte an Violets’ Lippen, als sie ihr Leben im Reiterquadranten und die damit vebundenen Herausforderungen beschreibt. Jede freie Minute nutzte ich zum Lesen. Trotz jeder Begeisterung fehlte es zwischendurch ein wenig an Hintergrundinformationen. So war es für mich als Leser sehr schwierig, mit den genannten Orten nicht durcheinander zu kommen. Das ständige Aufschlagen der Karte war zwingend notwendig, da die räumliche Lage der einzelnen Orte nicht explizit beschrieben wird. 3/4
SCHREIBSTIL Ein Meisterwerk von Meisterhand
Diverse Einschübe aus zahlreichen Werken, die wohl so im Archiv im Schriftgelehrtenquadranten zu finden wären, bilden die Anfänge der Kapitel. Unglaublich geschickt leitet die Autorin den Leser so auf die Abwege der düsteren Theorien um diverse Charaktere. Wäre es als angestellter Arbeitnehmer nicht so schwierig, die knapp 800 Seiten am Stück zu verschlingen, hätte ich mich vermutlich nicht beherrschen können. Jedes einzelne Kapitel trägt zum Fortgang der Geschichte bei und es gab keines, das man hätte streichen können. Rückblickend bin ich überrascht, wie intensiv und lebendig mir die einzelnen Szenen im Kopf geblieben sind. Stellenweise hat mich das ewige Gezeter um den unfassbar attraktiven Xaden etwas genervt, weil dadurch die Handlung teilweise stark in den Hintergrund getreten ist. 4/5
CHARAKTERE Außergewöhnlicher Mut zeugt von Violets’ Charakterstärke
Im gesamten Roman hat mich die Tatsache, dass Violet als zarte, junge Frau mit außergewöhnlichem Mut beschrieben wird, total gecatcht. Mir gefällt, dass sie um die Ecke denkt, mit Scharfsinn punktet und jene, die ihr anfangs körperlich überlegen sind, mit ihrem Verstand austrickst. Ihre körperliche Unterlegenheit wurzelt scheinbar in einer Krankheit, bei der ihre Knochen leichter brechen und Gelenke geschwächt sind. Hier hätte es nicht geschadet, das Thema noch einmal aufzugreifen und der Krankheit einem Namen zu geben. Das berauschende Enemies-to-Lovers-Setting zwischen unserer Protagonistin und dem attraktiven Xaden entwickelt sich nur langsam und es knistert und lodert verdächtig. Die Nebencharaktere Rhiannon, Dain oder Liam sind halbwegs liebevoll ausgearbeitet. Jede relevante Figur hat zumindest ihren eigenen glaubwürdigen Hintergrund. Demgegenüber wirken Charaktere, die nur selten erwähnt werden, sehr flach. Ridoc, Imogen und Co wirken eher wie Marionetten oder Statisten, die bei Bedarf wahllos vom Spielbrett geschnippt werden können. 2/3
GESAMTEINDRUCK Gleitflug durch eine atemberaubende Drachenwelt
Der ausgewogene Kontrast zwischen dem blanken Kampf ums Überleben und dem intensiven Erleben körperlicher Nähe hat mich restlos von dem Roman überzeugt. Die lebendige Beschreibung von Figuren, Orten und der Handlung selbst lässt im Kopf farbige Bilder entstehen. Als Leser entflieht man in die magische Drachenwelt und spürt den Atem der Fabelwesen im Nacken. Romantasy und Enemies-to-Lovers on its best!
22/25 - Ein gelungener Reihenauftakt, dessen Hype definitiv berechtigt ist.
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SPOILERALARM Die folgenden Ausführungen befassen sich kritisch mit den Inhalten des Romans und enthalten Spoiler. Bitte beachte, dass die Meinung in diesem Blogartikel individuell ist und auf meiner persönlichen Einschätzung basiert. Literaturgeschmack ist subjektiv, und andere Leserinnen und Leser können und werden den Roman anders wahrnehmen.
Intensive Gefühle lassen jede Regel vergessen
Das einzige, das ich über die Dauer des Romans zwischenzeitlich als anstrengend empfand, war die übertriebene Anbetung von Xaden. Jedes Mal, wenn sein Charakter auf die Bildfläche trat, bekam Violet weiche Knie und war hin und weg von seinem gottgleichen Aussehen, seinen stählernen Muskeln und seinen geschwungenen Lippen. Der sich anfangs anbahnende Konflikt wird überschattet von Violets’ Verlangen nach Xaden. Die körperlich intensiveren Szenen sind sehr gelungen und in ihrer Anzahl und Eingliederung in der Handlung angemessen, jedoch hätte die intensive sexuelle Anziehungskraft, die von Xaden ausgeht, dem Leser auch weniger häufig wie auf dem Präsentierteller vorgeführt werden können. Bei jedem Auftritt unseres männlichen Hauptcharakters schmilzt Violet im Angesicht seiner Attraktivität dahin und erinnert den Leser an ihre steigende Lipido, nimmt sich selbst den Wind aus den Segeln, weil Xaden böse und angesichts seiner Familiengeschichte absolut “off-limits” ist, aber … er sieht ja so gut aus.
Undurchdringlicher Protagonist lässt Gefühle zu
Xaden selbst ist anfangs ein etwas widersprüchlicher Charakter, was die Geschichte spannend und glaubwürdig macht. Die Verantwortung für die Gezeichneten wiegt wortwörtlich schwer auf Xadens’ Schultern, weshalb sein Zögern gegenüber Violet realistisch ist. Natürlich kommt die Geschichte nicht drumherum, dass Xaden irgendwann zugibt, dass er Violet von der ersten Sekunde an beschützen wollte und auch ihr gegenüber starke Gefühle empfand, die er als Geschwaderführer natürlich nicht so einfach ausleben sollte. Aber Regeln sind dafür da, um gebrochen zu werden! Dennoch ist Entfaltung der anbahnenden Liebelei einfach großartig zu Papier gebracht. Grenzen werden nicht überschritten und, anders als in anderen Romanen in dieser Sparte, ist Xaden Violets’ Zustimmung hinsichtlich ihrer körperlichen Verbindung wichtig. Halleluja - ein männlicher Hauptcharakter, der sein Gehirn benutzen kann. Dennoch wirkt Xadens sehr perfekt und Violets’ anfängliche Zweifel an seiner Aufrichtigkeit scheinen unberechtigt, da Xaden zwar stets bedrohlich auf sie wirkt, ihr aber nicht ein Haar krümmt. Der Teufel steckt leider im Detail.
Gegensätze bei (emotionalen) Abschieden
Bei einer so gefährlichen Ausbildung wie am Reiterquadranten bleiben Todesfälle nicht aus. Dass Jack, der Violet über einen Großteil des Romans hinweg immer wieder in die Mangel nimmt, so verhältnismäßig unspektakulär stirbt, fand ich etwas schade. Gut, er wird von Violet, die in ihrer Wut zum ersten Mal ihre Kräfte kanalisiert, in einer Explosion auf einem Turm in Stücke zerfetzt. Das ist jetzt nicht gerade das, was ich unspektakulär nennen würde. Allerdings geschieht sein Tod nicht unbedingt unerwartet und wird dann auch (zumindest bisher) nicht wirklich aufgegriffen, wenn man davon absieht, dass Violet von einigen Gewissensbissen heimgesucht wird. Dafür, dass er bis zu seinem Tod Violets’ gefährlichster Feind ist, ist sein Abgang dann vergleichsweise langweilig. Dem gegenüber hat Liams’ Tod bei mir emotionalen Schaden ungeahnter Größe hinterlassen, der mir beim Lesen die Tränen in die Augen trieb. Seine Loyalität Violet gegenüber war beispiellos und das Versprechen, dass Violet ihm im Angesichts seines Todes gibt - sich um seine Schwester zu kümmern - war herzzerreißend.
Parallelen zu bereits existierenden Buchreihen
Der aufmerksame Leser erkennt im ersten Band der erfolgversprechenden Buchreihe “The Fourth Wing” zwangsläufig Parallelen zu bereits veröffentlichten, bekannten Buchreihen. So ist uns die freie Entscheidung über die eigene Zukunft bereits aus der Buchreihe “Divergent” bekannt. Protagonistin Beatrice, die ihr ganzes Leben lang bei den Altruan verbracht hat, trifft die mutige Entscheidung, sich den Ferox anzuschließen - ungeachtet der Tatsache, dass ihr Testergebnis unbestimmt ist. Wie Beatrice trifft Violet eine mutige Entscheidung entgegen ihrer Natur. Auch das Training im Roman erinnert an die Nahkampfszenarien aus “Die Bestimmung”.
Mein jüngerer Bruder liebte als Kind die Serie “Dragons” und den Film “Drachenzähmen leicht gemacht”, in denen sich Wikingersohn Hicks seinem Vater entgegenstellt und sich für den Frieden zwischen Wikingern und Drachen einsetzt, indem er beweist, dass ein Zusammenleben und voneinander Profitieren möglich ist. Auch in “The Fouth Wing” ist die gegenseitige Übereinkunft zwischen Mensch und Drache der Ausgangspunkt für erfolgreiche Kriegsführung gegen den Feind. Generell ist das Konzept der Drachenreiter nicht neu, schon 1997 veröffentlichte Cornelia Funke den gleichnamigen Roman.
Wer von “The Fourth Wing” also erwartet, das Rad gänzlich neu zu erfinden, könnte von den auftretenden Ähnlichkeiten zu bereits bekannten dystopisch anmutenden Szenarien enttäuscht sein. Trotzdem ist die von Rebecca Yarros entworfene Welt ungemein beeindruckend und detailliert, sodass ein ganz neues Szenario entsteht, das man als Leser einfach bewundern muss.
Fehlende Informationen über relevante Details
Über einzelne Hintergrundinformationen wird der Leser im Dunkeln gelassen. So bleiben die Motive der Lossagung ebenso unbekannt wie weitere Details zum herrschenden Krieg zwischen den Königreichen. Die Unterentwicklung der Welt wirft zahlreiche Fragen auf. Der Roman dreht sich um junge Menschen, die sich freiwillig melden, um zu Elitesoldaten ausgebildet zu werden, um in einem Krieg zu kämpfen, dessen Grund dem Leser zumindest in Band eins noch nicht ersichtlich wird. Ich verstehe, dass der erste Band einer mehrbändigen Reihe nicht alles verraten darf, was in Zukunft noch relevant werden könnte, dennoch führte der Mangel an Informationen teilweise zu Verwirrung und Unverständnis.
Finale mit großem Paukenschlag
Der Cliffhanger am Ende des Romans ist gleichermaßen gemein als auch für das aufmerksame Auge während des Lesens keine an den Haaren herbeigezogene Überraschung: Violets’ totgeglaubter Bruder lächelt ihr frech entgegen und hat sich offenbar der Rebellenbewegung angeschlossen. Nachdem Violet ihre Bewunderung für ihren großen Bruder mehrfach äußert, ist es nahezu unmöglich, nach diesem Ende nicht weiterlesen zu wollen. Ich glaube, dass seine “Wiederauferstehung” den zweiten Band um einen spannenden Charakter erweitern wird und tippe, dass er eine tragende Rolle übernehmen wird. Das ist auch in der Hinsicht, dass Violets’ Schwester Mira, die ebenfalls Drachenreiterin ist, natürlich ebenfalls auf der Bildfläche unterwegs ist und sich eine interessante Geschwisterdynamik entfalten kann - vor allem, wenn sie unterschiedliche Weltanschauungen haben oder entwickeln.
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