16. Februar 2024

DER KRIEG UM MACHT UND MAGIE: REZENSION "WICCA CREED - ZEICHEN UND OMEN" VON MARAH WOOLF (BAND 1)


INHALT
Seit der Ermordung ihrer Familie vor über zwölf Jahren lebt die junge Wicca Valea Patel fernab ihrer Heimat Ardeal bei den Menschen. Nichts wünscht sie sich sehnlicher, als zurückzukehren und herauszufinden, was in der Nacht, in der ihr Leben brutal in Stücke gerissen wurde, vorgefallen ist. Doch erst als wieder eine Wicca ermordet wird, lässt ihr Großvater sie holen, denn Valea besitzt die seltene Gabe, Erinnerungen zu sehen - selbst die der Toten. Nach ihrer Ankunft findet sie sich jedoch in einem unentwirrbaren Geflecht aus Lügen, Intrigen und Verrat wieder. Denn in Ardeal tobt seit Jahrhunderten ein Krieg zwischen den Wicca, den Strigoi und der Hexenkönigin, der erst beendet sein wird, wenn zwei der drei Völker endgültig vernichtet sind.

ERSTER SATZ Niemand wusste, wer die längst verblichene Inschrift in die dunklen Holzbalken der abgenutzten Theke des Merlin gebrannt hatte. 

Der Roman um die junge Wicca Valea erfreut sich derzeit in Bloggerkreisen großer Beliebtheit. Nicht zuletzt das gelungene Cover und der tolle Buchschnitt sind eine visuelle Einladung, mit "Wicca Creed" einige gemütliche Lesestunden zu verbringen. Warum ich mit Valea einige Schwierigkeiten hatte, lest ihr in dieser ehrlichen Rezension. 

Diese Rezension enthält Spoiler. 
Wenn du den Roman also noch nicht gelesen hast oder noch lesen willst, rate ich dir, nicht weiterzulesen. 

Die Protagonistin Valea Patel
Wir lernen Valea kennen, während sie bei ihrer Arbeit in der Schenke Merlin den Avancen von Freiern ausweicht. Im Gegensatz zu anderen jungen Frauen ist sie nicht bereit, ihren Körper zu verkaufen. Trotz Geldnot hält sie sich mit mehreren Jobs über Wasser und lebt zurückgezogen in einer kleinen Stadt, seit ihr Großvater Radu, der Hohepriester der Wicca, sie dort in der Welt der Menschen zu ihrem eigenen Schutz versteckt hat. Ein verboten gut aussehender Fremde erweckt Valeas' Aufmerksamkeit und rettet sie schließlich vor einer Vergewaltigung und bringt sie nach Hause. Bitter aufgestoßen hat mir, dass Valea hier nach diesem doch eher nervenaufreibenden Ereignis direkt mit dem Fremden ins Bett steigt und eine offensichtlich unvergessliche Nacht erlebt. Dieser Anfang hat für mich schon vieles kaputt gemacht, weil ich Schwierigkeiten hatte, Valea danach ernst zu nehmen.
Im Laufe der Geschichte suchte ich immer wieder nach einer Charakterentwicklung. Leider habe ich davon relativ wenig sehen können. Valea ist eher passiv und wartet auf die Anweisungen anderer, statt selbst proaktiv zu handeln. Sie hält sich im Hintergrund und wirkt im Vergleich zu anderen Charakteren daher fast leblos. Erst im letzten Viertel blüht Valea auf und wurde zum Ende hin etwas sympathischer. 

Worldbuilding: Die Welt der Wicca, Strigoi und Hexen
Sehr interessant war für mich die Erschaffung einer Welt, in der die vampirähnlichen Wesen Strigoi, Hexen und gutmütige Wicca sich um die Macht der Magie bekriegen. Ein sehr spannendes Szenario, das gut untermauert ist und sich nach und nach entfaltet. In Caraiman, einer Art Akademie, lernen die jungen Anhänger der einzelnen Wesensarten den gemeinsamen Umgang. Auch Valea soll dort mit ihren Geschwistern Lupa und Kyrill ausharren. Ihre von Radu erhaltene Mission ist dabei, dem mysteriösen Tod der Wicca namens Sophia auf den Grund zu gehen. Wir springen zum Ende des Romans. Valea wurde als Hexe offenbart und ist die Urenkelin der mächtigen Hexe Celesta, die die Weltherrschaft an sich reißen will. Sophia wird mit keinem Deut erwähnt und mir stellt sich die Frage, warum Radu, wenn er im Bilde über Valeas' echte Identität war, sie überhaupt zurückgeholt hat. Warum hätte er nicht sofort einen Versuch unternehmen sollen, ihr ihre Unsterblichkeit zu nehmen?

Die "Lovestory" mit Nikolai Lazar
Der mächtige Strigoi sieht unverschämt gut aus und hat keine Probleme damit, direkt mit Valea ins Bett zu steigen. Die Autorin hat hier meiner Meinung nach den Fehler gemacht, Valea direkt das zu geben, was sie begehrt. Danach stand Nikolai quasi "zur Verfügung" und es gab kein Knistern, kein richtiges Begehren. Leider war für mich das vermeintliche Feuer, das sich hier angeblich entwickeln soll, sehr fragwürdig und ich hatte zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, dass die gegenseitige Anziehung den körperlichen Aspekt übersteigt. Abscheu kam in mir auf, nachdem Valea, Nikolai und Co den dunklen Gang finden und erkunden, in dem die getötete Wicca Sophia verschwunden ist, bevor sie auf einer Art Altar gefoltert und zerstückelt wurde. Nachdem alle der negativen Aura des Ortes schnellstmöglich entkommen wollen, flammt zwischen Valea und Nikolai ungeahntes Begehren auf und die beiden treiben es direkt neben Opferaltar, auf dem ein junges Mädchen qualvoll den Tod fand. Valea kommentiert das Geschehen, dass es der Großen Göttin sicherlich gefallen würde, zu wissen, dass Nikolai und Valea dem Ort auf diese Weise huldigen. Let me tell you, I was shocked. Und ich habe mich gefragt, ob die anderen im Gebüsch gehockt haben? Sie sind als Gruppe an diesen Ort gegangen, ich für meinen Teil würde mir doch Sorgen machen, wenn zwei Personen plötzlich verschwunden sind und würde nicht - ich wiederhole: nicht! - erwarten, dass sie aus derartigen Gründen an diesem Ort verweilen. Auch danach habe ich die vermeintliche Beziehung überhaupt nicht gefühlt, vielleicht war ich auch zu traumatisiert von eben beschriebener Szene. 

Der Plottwist: Valea wird als Hexe offenbart und ihre Erinnerungen kehren zurück
Nachdem sehr lange die Geschichte stagniert und ich Mühe hatte, mich zum Lesen zu motivieren, wurde es wenigstens auf den letzten Seiten doch noch einmal spannend. Als Nikolai zu Valea sagt, sie sei aufgrund der Magie, die sie im Kampf gegen die Lyzaner entfesselt hat, eine Hexe, ist Valea zunächst schockiert. Nach und nach fügen sich die Puzzleteile zusammen und ergeben ein einigermaßen stimmiges Bild. Tatsächlich fand ich die Geschichte nicht vorhersehbar, sondern war über die Wendung der Ereignisse sehr überrascht. Teilweise kam ich zum Ende hin nicht so ganz mit, zum Beispiel als Valea von Radu gefoltert wird, dann ein "Körper zu Boden fällt" und einige Seiten später ist Radu dann auf einmal tot. Die Ereignisse zum Ende hin überschlagen sich regelrecht, vor allem im Vergleich mit den restlichen 85 Prozent des Romans. Das Ende ist clever geknüpft und regt auf jeden Fall zum Lesen des zweiten Bandes an. 

Die Opferung von Kyrill
Dass Kyrill am Ende Selbstmord begeht, um den Strigoi ihre Unsterblichkeit zurück zu geben wirkte auf mich sehr erzwungen. Die ganze Zeit findet Valea keinerlei Draht zu ihm, obwohl er eigentlich ihr Zwillingsbruder ist, aber dann, auf einmal, aus heiterem Himmel, gesteht er ihr, wie viel sie ihm bedeutet und dass er lediglich Angst hatte, Radu könnte seine Gefühle gegen ihn verwenden und Valea als Druckmittel einsetzen. Valea schwebt im siebten Himmel, nachdem sie mehrfach erwähnt hat, ihren Bruder als engsten Vertrauten zurückgewinnen zu wollen. In die Tat umgesetzt hat sie eher wenig, aber sie ist trotzdem am Boden zerstört, als sich Kyrill dramatisch in eine felsige Schlucht stürzt. Hätte es diesen Tod wirklich gebraucht? I don't know. 

Kindlich und vor sich hin plätschernd: der Schreibstil in "Wicca Creed"
Die Geschichte wird aus der Perspektive der zweiundzwanzigjährigen Valea erzählt, doch ihre Art, Dinge zu offenbaren, kam mir zwischenzeitlich eher vor, als hätten wir es mit einem naiven Teenager zu tun. Der Schreibstil war für mich eines der Hauptthemen, die mich zur Mitte des Romans hin wirklich enttäuscht haben. Wenn die Story nicht voranschreitet, kann ein guter Schreibstil in meinen Augen vieles ausgleichen. Hier glückt das leider nicht. 

Langatmig und traumatisierend: mein Fazit zu "Wicca Creed"
Mein im Laufe der Geschichte schwindendes Interesse an Valeas' Verblieb habe ich eigentlich schon am Anfang gespürt, als die Geschichte mit der seltsamen, lieblos geschrieben Sexszene zwischen Valea und Nikolai startete und gefühlt direkt steil bergab ging. Quälend lange, seitenfüllende Dialoge und random Einschübe haben das Leseerlebnis nicht gerade beflügelt. Gut gefallen hat mir der Plottwist zum Ende des Romans, hier bekommt Marah Woolf es dann auf einmal hin, die Inhalte spannungsreich zu verpacken. Aber der Roman hätte für meinen Geschmack locker um zweihundert Seiten kürzer sein dürfen. Dass ein Buch wie dieses die Bestseller-Listen stürmt, ist für mich mit Blick auf meine vielen Kritikpunkte ein absolutes Rätsel und ein Grund, warum ich Bestseller-Listen keine Bedeutung beimesse. Ich habe kein gesteigertes Interesse, zu erfahren, was mit Valea nach dem Tod von Kyrill passiert und wer wann wie und wo die Macht über die drei Völker an sich reißt. 

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