7. März 2019

WARUM "NORTHERN RESCUE" ZEITVERSCHWENDUNG IST / MEINE EHRLICHE MEINUNG ZU DER NEUEN NETFLIX-SERIE

LESEZEIT: 9 MINUTEN

Zugegeben, der Titel dieses Posts ist total dramatisch. Aber eigentlich bringt er ganz gut auf den Punkt, was ich sagen will. Ich bin kein Fan von Negativem - wenn jemand meint, er müsse schlecht über jemanden reden, mache ich dem ein Ende. Wenn ich Hate-Kommentare unter Instagram-Bildern oder Youtube-Videos lese, rolle ich die Augen und sehe zu, dass ich Land gewinne. Nichtsdestotrotz habe ich beschlossen, meine ehrliche Meinung zu der neuen Serie von Netflix - Northern Rescue - zu verschriftlichen. Meine harte Kritik wirkt vermeintlich böse, jedoch glaube ich, dass jeder sich sein eigenes Bild machen sollte. Nur, weil ich die Serie als weniger gut empfunden habe, heißt das nicht, dass jeder das so sehen wird!

Wie man sich sicher schon denken kann, hat mir die Serie wirklich nicht gut gefallen - was eine Rarität ist! Normalerweise bin ich wirklich mit Allem zufrieden und klatsche selbst bei solchen Serien, die andere am liebsten vom Planeten Erde verbannen würden, in die Hände wie ein kleines Kind. Anders bei Northern Rescue. Zwar hat mir die Grundidee und das Setup wirklich gut gefallen, doch nach und nach wurde klar, dass es dieser Serie irgendwie an Hand und Fuß fehlt. 



In diesem Beitrag werde ich spoilern, wer also vorhat, die Serie zu schauen, der sollte besser wegklicken.


Die Serie Northern Rescue erzählt die Geschichte einer ganz gewöhnlichen Familie. Vater und Mutter leben mit ihren drei Kindern eine scheinbar glückliche Familienidylle. Doch dann wird  Magenkrebs im Stadium vier bei Mutter Sara festgestellt. Sie stirbt eigentlich schneller, als man gucken kann. Realistisch? Durchaus, immerhin ist es so - nicht wahr? Man stirbt nicht an dem Tag, den man dafür in den Kalender geschrieben hat. Sondern man kann immer sterben, auch dann, wenn niemand damit rechnet. 

Auch Vater John und seine drei Kinder Maddie, Scout und Taylor sind vom Tod der Mutter erschüttert. Viel Zeit bleibt ihnen nicht, um alleine zu trauern, denn ihre Tante Charlie holt die Familie zu sich in den scheinbar langweiligen Küstenort Turtle Bay. John stimmt dem nicht zuletzt zu, weil seine Schwägerin ihm einen Job beschafft. Die kleine Schwester Taylor, 12 Jahre alt, ist das Genie der Familie und von Anfang an für den Umzug. Wenn man den Teenagern Maddie und Scout, 17 und 15 Jahre, Glauben schenken mag, so ist der Umzug die ungefähr schlimmste Sache der Welt. Scout muss seine erste Freundin zuhause zurück lassen und Maddie findet sowieso alles scheiße. 


Als die Familie mit ihren gepackten Koffern vor der Tür ihrer Tante Charlie auftauchen, ist die Überraschung groß - Charlie entdeckt nämlich just in dem Moment, in dem der Familienvan um die Ecke biegt, dass ihr Haus bis auf die Grundmauern abgebrannt ist. Kein Problem, denn die Familie kann erstmal in einem alten Aquarium wohnen. 
Nein, nicht in einem Glaskasten.
Mit Aquarium ist ein altes Gebäude gemeint, in dem früher scheinbar Fischarten ausgestellt waren. Warum das Aquarium stillgelegt wurde, erfährt man nicht. Auch, warum ein einziger Pinguin noch immer dort lebt und auch leben bleibt, soll der Zuschauer scheinbar ebenfalls nicht erfahren. Kaum angekommen in dem Zuhause auf Zeit ist jedoch alles "Friede, Freude, Eierkuchen" und jedes Fernweh in die alte Heimat vergessen. Übrigens wird über einen Wechsel des Wohnortes gar nicht mehr nachgedacht, geschweige denn geredet. Soviel zum Zuhause auf Zeit

Ich fange vielleicht einfach mal bei den Klischees an. Scout ist ein angehender Wrestler und offensichtlich ziemlich gut. Sein Vater war als Jugendlicher ebenfalls im Wrestling-Team seiner Schule und wünscht sich, dass sein Sohn in seine Fußstapfen tritt. Wir haben eine klassische Geschichte: Der Sohn soll den Jugend-Traum des Vaters wahr machen. Der einzige Unterschied: Vater John war zu seiner Zeit der Beste, das Gleiche erwartet er nun von seinem Sohn, der diesen Erwartungen gern nachkommt. Zumindest bis er auf den Fiesling Jason trifft, der ihm das Leben schwer macht. Jason ist ebenfalls im Wrestling-Team und aus unerklärlichen Gründen findet er Scout von Anfang an total scheiße. Er provoziert ihn und Scout lässt sich provozieren. Im Laufe der Serie fliegt er dann aus dem Team, verheimlicht seinem Vater den Rausschmiss und versucht vergebens, seine Aggressionen in den Griff zu bekommen. Kurzum: er lebt unbewusst im Schatten seines Vaters und kommt nicht damit klar, wenn jemand besser ist als er oder das Mädchen bekommt, das er haben will. 


Taylor kämpft mit ähnlichen Problemen. Nachdem sie einen Buchstabier-Wettbewerb gewinnt, fällt sie erstmal in Ohnmacht. Kaum ist sie wieder auf den Beinen, triumphiert sie in Richtung ihrer Konkurrentin Raji: "Da hast du es!" 
Raji ist verständlicherweise entsetzt, zumal sie Taylor ein Glas Wasser geholt und ihre Jacke unter deren Kopf gelegt hat. Die kommenden Wochen sind die Hölle für Taylor. Ein Video von ihrem Ohnmachts-Anfall macht die Runde. Warum auch immer das so schlimm sein soll. 
Das Mädchen ist in Ohnmacht gefallen - weder ist ihr die Hose heruntergerutscht, noch klebte ein Popel in ihrem Gesicht. Verdammt, was ist bitte so lustig an einer Ohnmacht?
Taylor findet das Ganze auch nicht witzig und stellt ihre Klassenkameradin Stacie, die das Video gepostet hat, zur Rede. Die sagt wortwörtlich: "Ich hätte das Video nicht gepostet, wenn du nicht so gemein zu Raji gewesen wärst!"

Statt dass Taylor darauf eingeht, nachfragt, was Stacie damit genau meint oder gar auf die Idee kommt, dass eine Entschuldigung das ganze Drama beenden könnte, gibt sie die beleidigte Leberwurst, mehr noch: sie führt sich auf, als sei sie ihm Recht und als seien Stacie und Raji die schlimmsten Menschen auf der ganzen Welt. Das Drama geht weiter bis in den letzten Folgen aus dem Nichts Folgendes passiert: Raji und Taylor, die sich noch kurz zuvor wegen jeder Kleinigkeit in die Haare kriegen, werden von Stacie zu einem Buchstabier-Wettbewerb herausgefordert. Sie ist jedoch nicht die hellste Kerze auf der Torte. Scheinbar ein Grund für Raji, ihre Freundin in den Wind zu schießen und sich gemeinsam mit Taylor darüber lustig zu machen, dass Stacie glaubt, "Enthusiasmie" sei ein echtes Wort. 
Raji und Taylor sind von nun an unzertrennlich. Realistisch? Wohl kaum. 

Maddie kämpft ebenfalls mit ihren rebellischen Zügen. Sie lernt Henry und Gwen kennen. Letztere ist die klassische Schnepfe einer amerikanischen Highschool-Story. Sie hält sich für was besseres, glaubt, dass man mit Geld alles kaufen kann und lässt Papi für alles zahlen. Ihr Gesicht hat sie mit drei Kilo MakeUp zugekleistert und sie mischt sich in alles ein, was nur irgendwie geht. Ein ätzender Charakter. Maddie scheint es nicht zu stören. Nach einigen Startschwierigkeiten wirken sie, Gwen und Henry wie die besten Freunde. Obwohl Gwen sich immer wieder Arschloch-Aktionen erlaubt (zum Beispiel Stacie wegen des geposteten Videos bedrohen oder eine Party im Garten von Maddie schmeißen, obwohl sie das nicht wollte), weicht Maddie nicht von der Seite ihrer neu gewonnenen "Freundin". Die offensichtlichen Avancen von Henry ignoriert sie mehr oder weniger gekonnt. 


Auch Vater John hat seine eigenen Baustellen. Statt sich mit Trauer auseinanderzusetzen oder sich mal etwas Zeit für seine Kinder zu nehmen, stürzt er sich in die Arbeit. Er ist eine Art Rettungshelfer, aber er nimmt seine Position als Teamleiter außerordentlich ernst. Seine Teamkameraden behandelt er, plump gesagt, wie Dreck und macht ihnen klar, dass sie als Freiwillige keinen Freischein haben, auf der faulen Haut liegen zu dürfen. Hartes Training ist für John Voraussetzung. Die gut gemeinten Ratschläge seines Kollegen Simon belächelt John nur, immerhin ist Simon ihm unterstellt. Auch John scheint nicht so recht einsehen zu wollen, dass man als Chef nicht zwingend Recht hat. Seine Tochter Maddie bringt ihm eigentlich nur Ärger, mit Taylor hat er wenig zu tun und Scout fragt er hin und wieder, wie es im Wrestling-Team läuft. Weil das ihn als Vater doch ganz schön im schlechten Licht dastehen lässt, gibt es dann auch die ein oder andere Szene, in der er seinen Kindern sagt, wie sehr er sie liebt. 

Als eine Art Lückenbüßer habe ich seine Einsätze im Beruf empfunden. Als Zuschauer wird man Zeuge, wie ein Flugzeug abstürzt, ein Quad verunglückt, eine abgestürzte Wanderin gerettet und ein verwundeter Bär von seinen Leiden erlöst wird. Details vermisst man jedoch vergebens. Einen großen Plottwist gibt es nämlich nicht, aber das liegt wahrscheinlich daran, dass die gesamte Serie eher plätschernd vorüber zieht. Wie auch immer, Vater John ist jedenfalls ein absoluter Held in seinem Job, er rockt die Einsätze und hat dabei keinerlei Probleme, emotionale Bindungen mit den Leuten, die er rettet, aufzubauen. Er redet ihnen beruhigend zu, dass alles gut wird. 
Dass ihm das in seinem eigenen Zuhause und bei seinen eigenen Kindern nicht gelingt, ist einfach nur traurig. Es gelingt ihm nicht, mit den Menschen, die ihm am meisten bedeuten, über Gefühle oder generell Wichtiges zu reden. 


Tante Charlie ist ganz nett, sie führt ein kleines Café. Ihr Problem: das abgebrannte Haus - beziehungsweise eher, dass ihre Versicherung dafür nicht zahlt, solange ihr Exfreund nicht unterschreibt. Ein seltsamer Zufall oder glückliche Fügung? Charlie ist sich unsicher, immerhin ist ihr Ex ein zweiter "Der, dessen Name nicht genannt werden darf". Später erfährt man dann, dass sein echter Name Alex ist. Kaum ist er wieder in der Stadt, zieht er Charlie erneut in seinen Bann. Innerhalb weniger Tage lässt sie sich wieder auf ihn ein, bekommt von ihm eine tausende Dollar teure Kette und stimmt zu, ihn zu heiraten. Eine dramatische Historie der Beiden inklusive Fehlgeburt wird aufgedeckt, aber ebenso schnell wieder überdeckt von Charlies Entdeckung: Alex spielt ein falsches Spiel und hat scheinbar schon eine Ehefrau? Man erfährt nichts Näheres darüber. 

Auch die verstorbene Sara scheint Geheimnisse gehegt zu haben. Die ganze Serie über wird die Spannung aufgebaut, stückweise erfährt man, was passiert ist. Die Mutter hatte eine Affäre. Als Maddie ihrem Vater davon erzählt, tickt der aus und redet sich ein, dass das nicht stimmt. Letzten Endes kommt heraus, dass es doch stimmt - und er davon wusste. Mehr noch, Maddie ist gar nicht seine Tochter, sondern die von der gewalttätigen Affäre aka Ex seiner verstorbenen Ehefrau. 
Der Vorhang fällt und man fragt sich als Zuschauer irgendwie, warum genau man seine Lebenszeit mit Northern Rescue verschwendet hat. 


Maddie und Scout sind aufsässig und erfüllen jedes Klischee eines verdorbenen Teenagers. Scout prügelt sich und raucht Gras, während Maddie Alkohol trinkt und zwei Mal verhaftet wird. Statt für ihren Vater ein wenig Verständnis aufzubringen oder die Situation aka den Tod ihrer Mutter gemeinsam zu verarbeiten, driften beide in eine komplett falsche Richtung. Maddie macht aus dem, was sie über die angebliche Affäre ihrer Mutter weiß, ein großes Geheimnis. "Du weißt gar Nichts über mich, oder überhaupt irgendwas. Aber vor allem weißt du Nichts über Mom!", wirft sie ihrem Vater an den Kopf. Super gemacht, Maddie. Statt deinem Vater die Wahrheit zu sagen oder einfach deinen Mund zu halten, bürdest du ihm schlaflose Nächte auf. Kein Verständnis von meiner Seite. 

Was mich auch aufregt: dass Tante Charlie ziemlich oft eine Sonnenbrille trägt. Hat die so krasse Augenringe oder was? Verdammt, zieh die beknackte Brille ab!


Northern Rescue ist eine klischeebelastete Serie, die man definitiv nicht gesehen haben muss. Sorry Netflix, aber ist so. Man kann sich die Serie anschauen, jedoch wirkt alles irgendwie abgedroschen und unecht. Frei nach dem Motto "Wie machen wir die Serie jetzt besser?" hauen die Produzenten alles rein, was nur geht. 
Denn mal ehrlich: Wenn eine Familie gemeinsam trauert, wäre das ja zu langweilig - scheinbar. Man nehme stattdessen drei rebellische, hypersensible Kinder, die sich um die Gefühle anderer, ganz plump gesagt, einen Dreck scheren, sich selbst aber für was ganz Besonderes halten; einen Vater, der die wichtigen Ereignisse im Leben seiner Kindern aufgrund seines Jobs verpasst und eine Tante, die zwar einen lieben Eindruck macht, jedoch von ihrer Dummheit was den abgehauenen Ex, der ein zweites Mal abhaut, angeht, überschattet wird. Für mich war Northern Rescue definitiv kein großes Kino. Die Grundidee ist ganz nett, es gibt Szenen, die man schön ansehen kann und auch ein paar ganz gute Zitate und Lebensweisen, aber im Großen und Ganzen sind diese positiven Aspekte rar und es mangelt der Serie an Tiefgang. Es kommt einem vor, als habe jemand alle Klischees in einen großen Topf gegeben, eine Portion Unverständnis darauf gehustet und Verzweiflung hinein gespuckt. Sicher gab es Kleinigkeiten, die mir ganz gut gefallen haben, leider wirken diese neben meinen Kritikpunkten aber relativ lächerlich, sodass ich sie lieber ganz weglasse.

Nein, Northern Rescue konnte mich nicht überzeugen. Während ich es geschaut habe, hat mich das alles nicht so extrem gestört, doch je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr frage ich mich, warum niemand eingegriffen hat. Wahrscheinlich hätten ein paar Achtjährige in einem Ferienlager sich eine bessere Story ausdenken können. 

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