2. Mai 2024

IHR LEBEN GEHÖRT DEM STALKER: REZENSION "INSIGHT" VON ANTONIA WESSELING

ERSTER SATZ Happy Sunday, ihr wunderbaren Menschen da draußen!

INHALT Valerie Sophie ist eine der größten Influencerinnen Deutschlands, jung, schön, reich und unglaublich beliebt. Dass sie dafür einige Abgründe überwunden und eine schwierige Vergangenheit hinter sich gelassen hat, weiß kaum jemand – und das soll auch so bleiben. Als ein Stalker in ihr Leben tritt, der droht, ihr "kleines Geheimnis" zu verraten, gerät ihre Welt ins Wanken. In ihrer Verzweiflung wendet sie sich an Paul, einen ehemaligen Mitschüler, der inzwischen Polizist ist und verspricht, ihr zu helfen. Dabei kommen sie sich unerwartet nahe. Was Paul allerdings nicht ahnt, ist, dass auch er nur einen Teil der Geschichte kennt …

Vielen Dank an den Droemer Knaur Verlag für dieses spannende Rezensionsexemplar!

MEINE MEINUNG Schon sehr, sehr lange wollte ich ein Buch von Antonia Wesseling lesen, die sich in die Herzen der Leser und auf die Bestsellerlisten geschrieben hat. Welcher Roman wäre dazu besser geeignet als ihre Neuerscheinung "Insight - Dein Leben gehört mir"? Die spannende Kombination aus Thriller und Romance/Young Adult ist definitiv ungewöhnlich, hatte aber definitiv ihren Reiz!

TITEL Sehr dramatischer Titel, der definitiv Aufmerksamkeit auf sich zieht. 2/2

COVER Das Cover erinnert mich an "Layla" von Colleen Hoover und gefällt mir von der Aufmachung optisch sehr gut. Die Farbgestaltung ist schlüssig, den tollen Farbschnitt wollte ich Euch ebenfalls nicht vorenthalten, und der Gesamteindruck stimmt einfach. 2/3

INHALTSANGABE Die Inhaltsangabe beginnt auf den Punkt: Wer ist Valerie Sophie? Sie ist jung, schön, reich und beliebt. Schon bevor man das Buch aufschlägt, entsteht vor dem inneren Auge ein Bild. Ohne zu viel vorwegzunehmen schlängelt sich die Inhaltsangabe geschickt durch die grobe Handlung und baut dabei jene notwendige Spannung auf, die es braucht, das Buch lesen zu wollen. 3/4

IDEE Die Idee für den Romaninhalt basiert, wie das Nachwort erahnen lässt, auf den eigenen Erfahrungen der Autorin, deren Mutter zeitweisecvon einem unbekannten Stalker Briefe erhielt, die teilweise wortgenau ihren Platz im Roman gefunden haben, und ist damit eine sehr persönliche Angelegenheit. Es ist kein Geheimnis, dass Influencer mit großer Reichweite fast bereitwillig ihre Privatsphäre im Netz aufgeben. Ohne feste Arbeitszeiten bieten sie eine große Angriffsfläche für Promi-News, die für eine neue Schlagzeile auch vor Rufmord nicht Halt machen. Sachverhalte werden verdreht - oder gleich neu erfunden. Die Dringlichkeit dieses Problems - und mögliche Ausschreitungen in Form von Stalking - behandelt Antonia Wesseling in ihrem neuen Roman. Obwohl die Idee sicherlich nicht gänzlich neu ist, war für mich besonders der Mix aus Thriller und Young Adult eine spannende Kombination. 2/4

UMSETZUNG Die einzelnen Kapitel sind durchnummeriert und mit gängigen Redensarten betitelt: "Die Konkurrenz schläft nie" oder "Wie man's macht, macht man's verkehrt" beginnen die Kapitel - ein interessanter Ansatz, den ich in der Form von keinem anderen Autor kannte. Alle paar Kapiteln ist eine Art Therapiebericht aus der Vergangenheit eingebettet, was das Lesen aufgelockert und einen sehr spannenden Einblick in die Gefühlswelt von Valerie gewährt. Ich habe den Roman nur selten aus der Hand gelegt und ihn mitten in der Nacht beendet. Immer wieder stehen unterschiedliche Charaktere in Verdacht, der Täter zu sein. Wesseling legt geschickt Spuren aus, denen man als Leser nachgeht, um am Ende doch überrascht zu werden. Die finale Auflösung war für mich - obwohl Thriller nicht unbedingt mein Lieblingsgenre sind - fast ein bisschen zu schlüssig; sie schien etwas zu einfach. Sehr gelungen fand ich jedoch die aus Valeries' Perspektive erzählte Geschichte und die spannende Frage, was Realität ist - und ob sie sich vielleicht nicht Einiges einfach nur einbildet? 3/4

SCHREIBSTIL Der angenehme, flüssige Schreibstil ist leicht zu lesen und wird zwischenzeitlich von Chat-Nachrichten aufgelockert. Ich persönlich bin kein Fan davon; aber hierbei handelt es sich schlicht um eine individuelle Präferenz, die von Person zu Person anders ausfallen wird. Tiefer gehende Gedanken kommen kaum vor, im Vordergrund steht definitiv der Fortgang der Geschichte und vor allem das Knistern zwischen Valerie und Paul, das in einigen, explizit ausformulierten Szenen seinen Raum findet. 3/5

CHARAKTERE Valerie Sophie ist über die Dauer des Romans ein eher oberflächlicher Charakter. Während der Leser jedoch pikante Details über ihre geheime Vergangenheit erfährt, gerät diese Standhaftigkeit gefährlich ins Schwanken: immer mehr kann man mit Valerie mitfühlen und verstehen, warum das Lüften ihres Geheimnisses für ihre Karriere fatal sein könnte. Paul hat, wie alle anderen Charaktere (Charlotte, Tizian, Alex) auf mich eher den Eindruck gemacht, als wären er Mittel zum Zweck: Eigene Hintergrundgeschichten wirkten auf mich in Teilen gestelzt. 1/3

FAZIT Mit der tollen Aufmachung kann der Inhalt des Romans problemlos mithalten. Antonia Wesseling zeigt in ihrem neuen Roman "Insight" die Gefahren von Internetpräsenz und Stalking auf und verbindet in einem gelungenen Thriller-Romance-Mix gleich mehrere Genres. Das Lesen hat Spaß gemacht. Für eingefleischte Fans der Autorin ein absolutes Muss - und für alle anderen ein interessantes Experiment und Blick über den Tellerrand!

16/25 - Der nervenaufreibende Stalker einer beliebten Influencerin bringt ihr Image ins Schwanken. 

SPOILERALERT Bitte nur weiterlesen, wenn du den Roman bereits gelesen hast und dich über die genauen Inhalte und Details informieren/austauschen willst. Die folgenden Abschnitte enthalten explizite Spoiler zum Inhalt. 

Die Auflösung rund um den Täter namens Erik war für mich eher unerwartet. Sehr geschickt hat Antonia Wesseling in einem Nebensatz zu Anfang des Romans die Nachricht von Valeries' Fan Susanna einfließen lassen, die sich durch die Influencerin gestärkt fühlte, ihren langjährigen Partner Erik zu verlassen. In seiner Wut verarbeitet Erik die Trennung ziemlich ungewöhnlich, um es freundlich auszudrücken - und schickt Valerie unangenehme Nachrichten - erst per Brief, dann als Direktnachricht auf Instagram. Alarmiert schaltet Valerie die Polizei ein, wird aber aufgrund ihrer öffentlichen Selbstdarstellung nicht ernstgenommen. 

Später entpuppt sich Erik als erster Täter, der Valerie in Angst und Schrecken versetzt hat. Wirklich unglaubwürdig empfand ich sein vermeintliches Geständnis in einer Talkshow im Fernsehen - wo er frei nach Schnauze plaudert und dabei so manches sagte, wovon ich nicht glaube, dass es so tatsächlich ausgestrahlt werden würde.

Richtig gut hingegen gelingt der Aufbau des Charakters Alex, der als Ex-Freund von Valerie massig Follower einbüßen musste und in seiner Verzweiflung die Beziehung wieder aufleben lassen will. Greift er dabei zu unfairen Mitteln? Erst im Epilog, nachdem Valerie Alex konfrontiert und im Streit versehentlich übers Galerie-Geländer gestürzt hat (upps), finden wir heraus, dass der eigentliche Stalker, der sich durch Erik befähigt sah, niemand geringeres als Paul ist. Diesen Plottwist habe ich als angehende Thriller-Leserin durchaus in Erwägung gezogen, musste aber trotzdem aufgrund der Dreistigkeit dieses Mannes innehalten. Er geht wortwörtlich über Leichen, um seine Ziele zu erreichen. Dass Paul als Charakter so flach bleibt und der Leser kaum etwa über seine Vergangenheit erfährt, fand ich schade. Etwas mehr Rückgrad hätte ihm sicherlich nicht geschadet. 

Was mich irritiert hat, war das Ende vom Ende, wenn man das zweite Kapitel vom Epilog denn so nennen mag. Valerie Sophie ist beliebter denn je, nachdem der Stalking-Skandal die Runde gemacht hat. Ihr neuer Freund Paul, den sie durch die Medien schleppt, hat sich für den Leser als Stalker entpuppt, aber auch Valerie hatte ihre berechtigten Zweifel - und stieß schließlich auf Beweismaterial, das Paul als Täter identifiziert. Und nun tritt sie die gemeinsame Beziehung in den Medien breit, obwohl sie gesicherte Beweise vorliegen hat, dass Paul sie angelogen hat ("Da sind keine Anrufe auf deinem Handy" - Die hat er dann sicherlich einfach gelöscht) und dadurch irgendwelche tieferliegenden Traumata an die Oberfläche geholt hat? Ich hatte den Eindruck, sie hat sogar selbst das Gefühl verrückt zu werden. Als nämlich Paul meinte, auf ihrem Handy seien keine Anrufe, hatte Wesseling auch mich an der Angel und ich fragte mich, ob Valerie nicht in Teilen selbst das Problem sein könnte. Sie bedrohte Rosa Neuer, die andere Influencerin, ja regelrecht und ist ihr Zuhause aufgelauert. Dass Valerie in dieser Situation an Pauls' Seite bleibt ist für mich schon eine unerwartete, nicht wirklich nachvollziehbare Entscheidung der Autorin, die vielleicht Raum lassen soll für einen zweiten Teil? Wer wäre bei einem zweiten Teil mit von der Partie?

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